Das vom Amt für Soziales und Wohnen mitfinanzierte Projekt des Anonymen Krankenscheins für Bonn startete im Oktober 2021.
Die Anstellung des Projektkoordinators erfolgte direkt zum Projektstart am 01.10.2021. Die anderen Mitarbeitenden wurden ab dem 18.10.2021 angestellt.
Nach einer Eröffnungsfeier am 02.11.2021 sowie einigen Wochen der fachlichen Vorbereitung, Büroausstattung und Eingewöhnung fand die erste Sprechstunde am 16.11.2021 statt. Ab diesem Tag wurden regelmäßig dienstags (17:00-19:00 Uhr) und donnerstags (10:00-12:00 Uhr) Sprechstunden für Ratsuchende angeboten.
In den Sprechstunden wurden in den anderthalb Monaten, in denen regelmäßig Sprechstunden stattfanden, insgesamt 37 Menschen registriert, 24 waren weiblich, 13 männlich. Der Großteil der Patient:innen kam sowohl mit akuten medizinischen Beschwerden als auch zur sozialrechtlichen Konsultation. Einzelne hatten jedoch kein medizinisches Problem, sondern suchten ausschließlich Hilfe für ihren Aufenthalts- oder Krankenversicherungsstatus. Besonders zu erwähnen ist, dass auch sechs deutsche Staatsbürger:innen wegen verschiedener Probleme mit der Krankenversicherung die Clearingstelle aufsuchten.
Von den 37 Patient:innen konnten inzwischen neun in die Regelversorgung überführt werden. Bei weiteren zwölf Patient:innen läuft der Clearing-Prozess noch immer. Der größte Teil der Patient:innen erfuhr vom Angebot durch die kooperierende medizinische Beratungs- und Vermittlungsstelle MediNetzBonn e.V. Auch durch die Weitervermittlung anderer Organisationen und durch die sozialen Medien wurden einige Patient:innen auf das Angebot aufmerksam.
Die meisten Klient:innen, bei denen eine Vermittlung in die Regelversorgung nicht möglich war, lebten bereits für längere Zeit ohne Aufenthaltsstatus in Bonn. Bei deutschen ehemaligen Privatversicherten stellten sich das Alter der Patient:innen sowie die hohen Nachzahlungen, die sich viele nicht leisten können, als die größten Hürden heraus. Beispielsweise hätten Patient:innen nach zwei Jahren Versicherungslosigkeit die Beträge der zwei Jahre nachzahlen müssen, wozu sie nicht im Stande waren.
Im Jahr 2021 wurden insgesamt 60 Anonyme Krankenscheine ausgegeben. Elf davon wurden für die Gynäkologie ausgestellt, zehn für die Allgemeinmedizin, neun für die Zahnmedizin, sechs für die Orthopädie und fünf für die Chirurgie. Mit den ausgegebenen Krankenscheinen wurden 47 ambulante Behandlungen, drei Hilfsmittelleistungen, eine Laborleistung, 55 Arzneimittelleistungen sowie drei Vorsorgeuntersuchungen/Impfungen in Anspruch genommen. Hier ist allerdings zu erwähnen, dass die Krankenscheine drei Monate lang gültig sind und die Praxen, Krankenhäuser und Apotheken die Leistungen häufig erst einige Wochen später in Rechnung stellen. Daher ist es möglich, dass noch nicht alle Rechnungen für Behandlungen im Jahr 2021 vorliegen.
Aufgrund einiger Verzögerungen mit Kontozugängen der Mitarbeitenden wurden im Jahr 2021 noch keine Rechnungen von Ärzt:innen bzw. Apotheken bezahlt. Es fielen daher zunächst keine Behandlungskosten an, wobei jedoch zu beachten ist, dass die bereits 2021 eingetroffenen Rechnungen im Januar 2022 beglichen wurden, weshalb für diesen Monat höhere Behandlungskosten erwartet werden.
Bei der Arbeitszeitverteilung gab es einige Änderungen im Vergleich zum Konzeptpapier. So wurde die Verwaltungskraft lediglich für 8h/Woche angestellt, während der Projektkoordinator für 10h/Woche angestellt ist. Außerdem wurde der Arzt auf Honorarbasis angestellt und arbeitete in der Regel weniger als die veranschlagten 8h/Woche. Durch diese Änderungen sowie durch die spätere Einstellung von vier der fünf Angestellten wurden für die Personalkosten nur 23.388,20€ statt der veranschlagten 34.740,00€ benötigt.
Die verausgabten Mittel für Sachkosten übertrafen im Jahr 2021 den geplanten Betrag. Während für die Monate Oktober, November und Dezember 5.210,00€ eingeplant waren, beliefen sich die Sachkosten in diesem Zeitraum auf 5.713,75€. Dies ist allerdings durch viele erstmalige Anschaffungen zu erklären, wie etwa die technische Ausstattung des Büros. Daher ist für die kommenden Jahre nicht zu erwarten, dass der eingeplante Betrag erneut überschritten wird.
Die Mitarbeitenden nahmen im Jahr 2021 zur Sicherung der Fachlichkeit an einer zweitägigen Fortbildung in Mainz zum Clearing von Menschen ohne Krankenversicherung sowie an der ebenfalls zweitägigen Fortbildung der Stadt Bonn „Strategien und Wege zur Senkung von Krankenhilfekosten in der Sachbearbeitung des SGB XII“ teil. Zudem besuchten eine Anwältin für Aufenthaltsrecht und die Verwaltungskraft vom vergleichbaren Projekt des Anonymen Krankenscheins in Thüringen die Clearingstelle, um von ihren Erfahrungen zu berichten. Die Vernetzung und der stetige Austausch mit anderen Beratungsstellen wie etwa der Caritas Bonn waren ebenfalls Teil der Aufbauarbeit im ersten Projektjahr. Zudem gab es zu einigen Fällen eine Supervision mit Mitarbeitenden von MediNetzBonn, die zum Teil Patient:innen des AKSB vorher lange über das MediNetz betreut hatten.
Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit schritt ebenfalls voran. So wurde im General-Anzeiger ein Artikel über die Eröffnungsfeier der Clearingstelle veröffentlicht. Die Präsenz in den sozialen Medien konnte ebenfalls ausgebaut werden, allerdings gibt es hier noch viel Potential für die Erhöhung der Reichweite, damit in Zukunft noch mehr Menschen auf das Angebot aufmerksam werden.
Der AKSB nahm außerdem an den Arbeitskreisen „Arbeitskreis Menschen ohne Papiere“ sowie dem „Runden Tisch für Geflüchteten- und Integrationsfragen“ der Stadt Bonn teil. Auch in der bundesweiten Vernetzung der Clearingstellen und Anonymen Behandlungsscheine kam dem AKSB eine besondere Rolle zu, da es als jüngstes Projekt seine Erfahrungen teilen konnte. Mitarbeitende und Ehrenamtliche des AKSB nahmen zudem an einigen AGs der bundesweiten Vernetzung teil, in denen etwa über spezielle Fälle oder eine einheitliche Form der Datenerhebung beraten wurde.
Der AKSB ist mit den Ergebnissen der ersten drei Projektmonate rundum zufrieden. Nach der vergleichsweise kurzen Vorbereitungsphase, die vor allem in der ausführlichen Vorarbeit der ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen sowie der schnellen Eingewöhnung der Angestellten begründet lag, konnte schon Mitte November die erste Sprechstunde abgehalten werden. Die Anzahl an Patient:innen sowie die Quote der Vermittlungen in die Regelversorgung ist für diese kurze Anlaufphase ein großer Erfolg.
Die Abrechnung der ausgestellten Krankenscheine funktionierte in der Regel gut, nach einigen Hinweisen rechneten die Praxen mit dem vorgesehenen 1,0-fachen Satz GOÄ ab. Eine größere Hürde war die Abrechnung mit den Bonner Zahnärzt:innen. Von diesen gab es häufiger Beschwerden, dass sie durch die Abrechnung mit dem 1,0-fachen Satz GOZ Verluste machen würden. Einige Zahnärzt:innen weigerten sich nach dem Beharren auf dem 1,0-fachen Satz seitens des Vereins, weitere AKSB-Patient:innen aufzunehmen. Dieses Problem wird momentan im Austausch mit dem Amt für Soziales und Wohnen evaluiert. Ein weiteres Problem der Arbeit besteht weiterhin darin, dass Menschen aus dem Rhein-Sieg-Kreis versorgt werden können. Diese werden noch immer ehrenamtlich durch das MediNetzBonn betreut, da die Dichte der Beratungs- und Behandlungsstellen im Rhein-Sieg-Kreis nicht ausreichend ist. Für die Zukunft strebt der AKSB eine Zusammenarbeit mit dem Rhein-Sieg-Kreis an. Dies kann selbstverständlich nur in enger Zusammenarbeit mit Verwaltung und Politik der Stadt Bonn geschehen. Eine Planungsgruppe des AKSB wird diesbezüglich bald erste Schritte einleiten.