Nach über drei Jahren voller Netzwerk- und Kampagnenarbeit öffnet im November 2021 die neue Bonner Clearingstelle für Menschen ohne Krankenversicherung. Ab dem 16.11.2021 werden in der zweimal wöchentlich stattfindenden Sprechstunde (Dienstag, 17:00 bis 19:00 Uhr sowie Donnerstag, 10:00 bis 12:00 Uhr) in der Endenicher Str. 95 zwei Sozialarbeiterinnen und ein Allgemeinmediziner die sozial-, aufenthaltsrechtliche und medizinische Beratung übernehmen. Unterstützung erhalten sie dabei von einem Projektkoordinator und einer Verwaltungskraft. In einem ersten Gespräch wird die individuelle Situation der hilfesuchenden Menschen evaluiert. Insbesondere werden mögliche Zugangswege in die Regelversorgung beleuchtet. Im Bedarfsfall erfolgt anschließend die Ausgabe des sogenannten Anonymen Krankenscheins, mit dem die Menschen selbstständig medizinische Versorgung in Anspruch nehmen können. Die Rechnungen werden von den Praxen, Krankenhäusern, Apotheken oder Laboren zurück an die Verwaltung gesendet und aus dem Behandlungsfonds übernommen. Dafür stellt die Stadt Bonn für die Dauer des dreijährigen Modellprojekts – neben den Personal- und Sachkosten – knapp 100.000€ pro Jahr zur Verfügung.
„Dieses Projekt liegt der Stadt Bonn sehr am Herzen, umso mehr freue ich mich, dass nach langer Vorarbeit die Clearingstelle heute ihre Türen öffnen kann“, sagte Bürgermeisterin Dr. Ursula Sautter in ihrem Grußwort anlässlich der Eröffnungsveranstaltung am 02. November 2021. „Mit dem Projekt wollen wir sicherstellen, dass auch Menschen ohne Krankenversicherung eine angemessene Gesundheitsversorgung bekommen – frei von Diskriminierung. Dafür hat die Stadt Bonn Mittel aus dem Haushalt bereitgestellt“, so Sautter weiter. Sie dankte dem Verein für sein großes zivilgesellschaftliches Engagement.
Gemeinsam mit Vertreter:innen von Politik und Stadtverwaltung, den Ehrenamtlichen von MediNetzBonn und AKSB, den unterstützenden zivilgesellschaftlichen und kirchlichen Organisationen und dem Team der neuen Clearingstelle wurde ein Blick zurück auf den Weg bis hierher geworfen: ausgehend vom 2018 gegründeten Arbeitskreis „Anonymer Krankenschein“ über die Gründung des Vereins Anonymer Krankenschein Bonn e.V. Ende 2019 und den Bürgerantrag im Frühjahr 2020 mit der ersten erfolgreichen Abstimmung im Ausschuss für Soziales, Migration und Gesundheit im August 2020. Darauf folgte eine Phase des intensiven Austauschs mit dem Amt für Soziales und Wohnen, bis im Mai 2021 das überarbeitete Konzeptpapier fertiggestellt werden konnte. In der ersten Sitzung des Sozialausschusses nach der Sommerpause stimmten die Abgeordneten erneut geschlossen für das Modellprojekt und verwiesen es weiter an den Rat, wo der Antrag am 16. September 2021 in der abschließenden Abstimmung gemeinsam durch die Fraktionen von Grünen, SPD, CDU, FDP, Linke und Volt angenommen wurde.
Bei der Planung des Modellprojekts stellte die Berechnung des notwendigen Finanzvolumens eine Herausforderung dar, da bisher wenige Daten zu Menschen ohne Krankenversicherung vorliegen. Daher wird das Projekt für die Dauer des Förderzeitraumes im engen Austausch von AKSB e.V. und Stadtverwaltung evaluiert und darüber hinaus durch eine externe wissenschaftliche Untersuchung in Kooperation mit der Universität Düsseldorf begleitet. Dadurch sollen einerseits valide Daten für die zukünftige Bedarfsplanung bereitgestellt und andererseits an der weiteren Forschung in diesem bisher unterrepräsentierten Bereich mitgewirkt werden.